25.Oktober 2014 (KN) Sie gelten als selbstverständlich, sind es aber nicht: Die 1371 freiwilligen Feuerwehren im Norden sind die Basis für die verlässliche Brandbekämpfung. Seit Jahren sinkt die Zahl der Freiwilligen — ein bundesweit einzigartiger Kongress sucht Lösungen.
Kiel Stell Dir vor, im Dorf brennt dein Haus, und die Feuerwehr kommt viel zu spät zum Löschen, weil sie aus der nächsten Stadt anrückt. Noch ist dieses Szenario für Schleswig-Holstein Theorie.
Denn im Land zwischen den Meeren mit 1100 Gemeinden gibt es 1371 freiwillige Feuerwehren — und nur vier Berufsfeuerwehren. „Aber seit Jahren sinkt die Zahl der Menschen, die sich freiwillig engagieren“, skizziert Holger Bauer, Pressereferent des Landesfeuerwehrverbandes den Negativtrend.
Am Samstag lud der Verband zum zweiten „Feuerwehr Marketing Kongress“ - einer bundesweit einzigartigen Veranstaltung, um Ideen für eine Trendumkehr auszuloten. Zu den Gästen gehörten Innenminister Stefan Studt (SPD) und Landtagspräsident Klaus Schlie. Für beide ist das seit mehr als 100 Jahren bewährte System in Deutschland mit überwiegend freiwilligen Feuerwehren und nur wenigen Berufsfeuerwehren alternativlos auch für die Zukunft.
Der demografische Wandel ist nur ein Grund für Nachwuchsprobleme. Hinzu kommt die veränderte Arbeitswelt. Viele auf dem Lande pendeln, wären also im Brandfall — per Funkpieper am Gürtel informiert — nicht schnell da. Ein Ausweg: Doppelmitgliedschaften in Feuerwehren im Heimat- und im Arbeitsort. Manche können ihren Job zudem nicht für einen Einsatz verlassen — dabei ist dies gesetzlich festgeschrieben, aber mit Ausnahmen. Und: „Die Feuerwehr lebt sehr von starren Strukturen und Hierarchien, das kann Vorteile, aber auch Nachteile haben“, sagt Bauer. Die Qualität der inneren Führung müsse verbessert werden.
Von mehr als 59 000 Feuerwehrmitgliedern im Norden gehören rund 48 000 freiwilligen Wehren an. „Vor zehn Jahren waren es etwa 2000 Freiwillige mehr“, sagt Bauer. Ayaan Hussein, Pressesprecherin der BAT Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg, erläutert, dass im Zehnjahresvergleich Vereine in Deutschland heute um acht Prozentpunkte weniger Mitglieder im Jugendalter haben: „Gerade die Vertreter der jungen Generation wollen sich heute seltener dauerhaft verpflichten und festlegen, sondern flexible Angebote nutzen, die sowohl zeitlich als auch inhaltlich zur jeweiligen Vorliebe passen.“
Die immer geringer werdende Freizeit von Jugendlichen — durch die Verkürzung der Schulzeit und zusätzlichen zeitlichen Verpflichtungen - sei der Hauptgrund für ein abnehmendes gesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement. „Darüber hinaus haben Jugendliche manchmal aber auch das Gefühl dort ausgenutzt zu werden, bemängeln kein Geld zu verdienen und sehen ein ehrenamtliches Engagement als „karitativen Mief“ an“, berichtet Hussein über Umfrageergebnisse.
Immerhin nimmt der Frauenanteil in den Wehren zu. „Aktuell sind es mehr als 3600, immer noch zu wenige, aber Tendenz steigend“, sagt Bauer. Vor 20 Jahren sei das noch ein Problem gewesen. „Heute leiten Frauen als Wehrführer Einsätze und machen auch Brandbekämpfung mit Atemschutz, dabei wiegt allein die Ausrüstung 17 Kilo.“
„Migranten an Hydranten“ — unter diesem etwas flapsigen Motto diskutierte bereits der erste Kongress im Mai 2013, wie der Anteil von Bürgern mit ausländischen Wurzeln erhöht werden könnte. „Das kann in Kiel-Gaarden mit hohem Ausländeranteil hilfreich sein, ist aber keine generelle Lösung“, sagt Bauer. „In Dithmarschen hinterm Deich etwa leben nur wenige Migranten.“ Menschen, die direkt aus der Türkei oder dem arabischen Raum kämen, seien noch schwerer zu gewinnen, denn in ihren Herkunftsstaaten habe die Feuerwehr ein extrem geringes gesellschaftliches Ansehen.
„Um den Nachwuchs zu motivieren, sollten Vereine auf Spaß und gemeinschaftliche Aktivitäten zu flexiblen Zeiten setzen“, rät Hussein. „Jeder zweite 14 bis 19-Jährige nennt als Motivation für ein Engagement, dass man so Freunde treffen oder kennenlernen kann sowie die Möglichkeit hat, seine Lebenserfahrung mit Sinn und Spaß zu erweitern.“
Fast 10 000 Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren — davon knapp jede Vierte ein Mädchen — engagieren sich in Jugendfeuerwehren, die aber noch keine Einsätze machen. Bereits in der Vorschule versucht der Verband mit Brandschutzerziehung die Saat zu legen für eine spätere Mitgliedschaft. Mit dem geplanten neuen Brandschutzgesetz zum 1. Januar 2015 hofft der Verband, auch die Grundschüler zu erreichen: Dann sollen Kinderabteilungen in den Jugendfeuerwehren möglich sein.
Am wichtigsten sei aber, die Leute, die dabei sind, bei der Stange zu halten, sagt Bauer. Dazu gehöre auch gesellschaftliche Anerkennung.
Versagen sehen Bauer und auch Schlie bei Bürgermeistern: Zu wenige würden ihre Aufgabe als Dienstvorgesetzte der freiwilligen Feuerwehren so ernst nehmen, „wie es nötig ist“. Schlie betont neben der Sicherheit ein weiteres Plus: „Die jungen Feuerwehrfrauen und -männer werden zu charakterfesten, verlässlichen, pflichtbewussten und kameradschaftlichen Menschen herangebildet.“